Der Käfigturm

Turmgeschichte

Der Käfigturm hat in den letzten über 700 Jahren zahlreiche Nutzungen erlebt. Über Jahrhunderte diente er als Gefängnis. Seit 40 Jahren steht er im Dienste von Politik und Demokratie.

Über Jahrhunderte diente der Käfigturm als Gefängnis. Seit 40 Jahren steht er im Dienste von Politik und Demokratie. Seit 2017 beherbergt der Käfigturm das Polit-Forum Bern, das von Stadt und Kanton Bern, der Burgergemeinde Bern sowie der reformierten und römisch-katholischen Landeskirche getragen wird. Erbaut wurde der Käfigturm 1256 als Teil der äusseren Stadtmauer Berns. Mit der Stadterweiterung 1345 bis zum Christoffelturm bez. zur heutigen Heiliggeistkirche verlor der Turm seine ursprüngliche Funktion. Zu dieser Zeit war Bern in Europa die grösste Republik nördlich der Alpen.

Neubau und Uhrwerk

1640 wurde der Turm abgerissen wegen Baufälligkeit. Nach Kontroversen entschied sich der Rat von Bern für die Errichtung am alten Standort. 1643 wurde er vollständig neu aufgebaut und erhielt weitgehend seine heutige Form. Ziel war es, ein städtebauliches Monument an dem markanten Platz zu schaffen. Die Höhe beträgt rund 23 Meter bis zur Dachkante und 49 Meter bis zur Wetterfahne. Die fünf Stockwerke sind durch 106 Treppenstufen verbunden. Die Turmmauern, die im Unterbau aus Hartstein, im Rest aus Sandstein bestehen, weisen eine Dicke von 85 bis 90 Zentimetern auf. Heute ist der Turm in eine Zeile ehemaliger Zunfthäuser am Bärenplatz eingebettet.

 Das Uhrwerk wurde 1691 erbaut. Bei der Renovation von 1980 wurde es vom Estrich in den obersten Ausstellungsraum verlegt. Die maximale Laufzeit beträgt 36 Stunden, weshalb die beiden schweren Gewichte (45 kg und 85 kg) jeden Abend manuell hochgekurbelt werden müssen.

Gefängnis

1405 fiel der Zeitglockenturm dem Stadtbrand zum Opfer, die dort einquartierten Gefangenen wurden in den Käfigturm verlegt. Ab dann wurde er als Gefängnis genutzt. In der Frühen Neuzeit diente der Käfigturm als eine Art Untersuchungsgefängnis, in dem verdächtigte Personen inhaftiert und verhört wurden. Dank den in den sogenannten Turmbüchern enthalten Verhörprotokollen wissen wir einiges über die damaligen Insassinnen und Insassen und die sozialen Verhältnisse im alten Bern. 1897 wurden die letzten 70 Gefängnisinsassen in das neue Bezirksgefängnis überführt. 

Politische und andere Gefangene

Viele Menschen, einfache Frauen wie Männer, welche im Käfigturm im 17 Jahrhundert verhört wurden, waren durch Armut geprägt. Daneben waren aber sicher oder sehr wahrscheinlich auch politische Gefangene inhaftiert. Dazu gehört Catherine Perregaux- von Wattenwyl (1645-1714). Ende des Jahres 1689 wurde Perregaux-von Wattenwyl vorgeworfen, sie spioniere in den höchsten Berner Regierungskreisen für den französischen König Ludwig XIV. Das führte zur Gefangenschaft und Folter in der Insel, danach zur Überführung in den Käfigturm. Der Prozess endete 1690 auf Druck der Familie mit Freilassung und Verbannung und wurde später als politischer Prozess kritisiert. 1749 stellte Samuel Henzi zusammen mit andern Burgern Forderungen, die uns heute vertraute sind: Gemeindeversammlung als oberstes Organ, Amtszeitbeschränkung für vom Volk gewählte Magistrate, Neuorganisation des Kleinen Rats, jährliche Abrechnung der Staatskasse, Öffnung der Archive, Beachtung der geltenden Gesetze, und Zugang für alle Bürger zu den Ämtern und Stellen in Politik, Verwaltung und Militär. Dies galt als Verschwörung, sie wurde aufgedeckt, Samuel Henzi und zwei weitere Anführer wurden hingerichtet.

Ferdinand Hodler im Käfigturm?

Die Mutter Margarete Neukomm des berühmten Malers Ferdinand Hodler arbeitete im 19. Jahrhundert als Köchin für die Gefangenen im Käfigturm. Umstritten ist, ob deshalb auch Ferdinand Hodler am 14. März 1853 in der Mägdekammer seiner Mutter im Käfigturm zur Welt gekommen sei.  

Mehr zu Ferdinand Hodler hier.

Der Käfigturmkrawall

Ende des 19. Jahrhunderts stand der Turm im Mittelpunkt beim sogenannten Käfigturmkrawall von 1893, bei dem es um Arbeitskonflikte zwischen einheimischen und ausländischen Arbeitern ging. Aus dem Käfigturm schoss die Polizei auf Demonstrierende, welche die Freilassung der inhaftierten Arbeiter forderte. Die Polizei wurde selbst von der bürgerlichen Presse für ihr brutales Vorgehen und die Verhaftungen – am Ende waren es 74 – kritisiert. Das politische Erbe dieser einschneidenden Nacht findet sich heute im Artikel 260 des Strafgesetzbuches: die Aufnahme des Delikts «Landfriedensbruchs» ins erste eidgenössische Strafgesetzbuch.

Wachsender Verkehr

Während Jahrhunderten besass der Turm nur ein Tor als Durchgang. Da der Verkehr immer mehr zunahm, entschloss man sich 1823, den nördlichen Anbau abzureissen um Raum für eine weitere Durchfahrt zu schaffen, welche später auch für das Tram benutzt wurde. 1903 schuf man mit dem Durchbruch eines zweiten, kleinen Torbogens die heutige Fussgängerpassage. Weil dabei das Treppenhaus der Passage weichen musste, wurde das Treppentürmchen an der Ostseite angebaut, welches die Besucher in den ersten Stock führt. Die Fussgängerfrequenz vom Käfigturm bis zum Zytglogge ist heute eine der höchsten weltweit. So zirkulieren in der Marktgasse Bern am Samstagen zwischen 12 und 15 Uhr durchschnittlich über 6200 Leute, am Broadway sind es 4000, in der Londoner Regent Street 5600.

 

Akten und Ausstellungen

Nachdem 1897 die letzten Gefangenen verlegt wurden, hatte der Kanton eine Zeit lang Akten der Amtsbezirke und des Obergerichts in den frei gewordenen Zellen aufbewahrt. 1976-80 wurde der Käfigturm umfassend renoviert. 1980 eröffnete der Kanton Bern mit einem grossen Volksfest mit Rutsche vom 1. Stock auf Bärenplatz das neue Infozentrum. Der Käfigturm diente dem kantonalen Amt für Kultur- und Wirtschaftsausstellungen als Informationszentrum für die Bevölkerung – insbesondere um die Sicht der Berner Politik im Jurakonflikt darzustellen.  Danach nutzte der Kanton ihn als Gewerbebibliothek und für vereinzelte Ausstellungen und private Anlässe. Ab 1999 übernahmen die Bundeskanzlei und die Parlamentsdienste den Käfigturm und installierte darin das Politforum des Bundes. Dieses zeichnete sich durch zahlreiche Ausstellungen und Veranstaltungsreihen aus. Aber auch ein Veranstaltungsraum für politische Veranstaltungen konnte kostenlos gebucht werden.

Das neue Polit-Forum Bern

2015 beschloss der Bund die Schliessung des Polit-Forums aufgrund von Sparmassnahmen. Viele Leute haben sich für den Erhalt eingesetzt, unter anderem der Verein «Rettet den Käfigturm» mittels einer Petition mit 7’000 Unterschriften. Seit Sommer 2017 wird das Polit-Forum Bern mit einer neuen Trägerschaft betrieben. Diese besteht aus der Stadt Bern, dem Kanton Bern, der Burgergemeinde Bern sowie den beiden Landeskirchen Schweizerischen Evangelischen Kirchenbund und der Römisch-Katholischen Zentralkonferenz der Schweiz. 2020 beschloss der Grosse Rat des Kantons Bern, im Käfigturm einen Lift einzubauen, um die Zugänglichkeit auch in Zukunft sicher zu stellen.